Familien sind die Summe ihrer Individuen und ihrer persönlichen Erfahrungen
Recherche und Text von Peter Moser, Chefredakteur „Falstaff“
Das Weingut F.X. Pichler wird heute in siebenter Generation, von Lucas Franz Pichler (1973) und seiner Frau Johanna Elisabeth (1982), geführt. Lucas Franz ist der Geschäftsführer, Weingärtner und Önologe, und Johanna Elisabeth kümmert sich um den Vertrieb, das Marketing und den Export.
Franz Xaver (1941) und Rudolfine (1951) Pichler sind nach wie vor im Betrieb involviert und hauptsächlich in den Weingärten an zu treffen, die sie mit all Ihrer Hingabe und Erfahrungen pflegen.
Die Familie blickt auf eine lange Winzertradition zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts war mit Weinhauer Franz Pichler II. der Ururgroßvater von Franz Pichler VI. von Rohrendorf bei Krems nach Oberloiben gezogen. Um 1898 wurde das Haus Nr. 27 in Oberloiben erworben, in dessen Kellergewölbe bis zum Jahrgang 2008 die Basis für den Welterfolg gelegt wurde.
Schon der 1906 geborene Vater von Franz Xaver (F.X.) war ein echter Qualitätsfanatiker und führte Bücher, in denen er die Ergebnisse der einzelnen Weinstöcke vermerkte, um schließlich das Erbgut der besten Grünen Veltliner für Neuanlagen zu vermehren. Diese „Selektion Massale“ wurde erstmals im Jahre 1928 begonnen und ab dem Jahr 1952 erneut gemacht.
Er war Ende der 1930er-Jahre auch Gründungsmitglied der Winzergenossenschaft in Loiben, die den zahlreichen kleinen Hauern des Ortes das wirtschaftliche Überleben sichern sollte.
Sohn Franz Xaver, der früh beschloss, ebenfalls den Weg als Winzer zu gehen, absolvierte die Kremser Weinbauschule und besuchte dann Fachkurse in Deutschland und im Elsass. Schritt für Schritt baute er seine Flächen aus, stets überzeugt vom enormen Potenzial seiner Heimat.
Bereits in den 1980er-Jahren hatte F.X. Pichler begonnen, seinen richtungsweisenden Weinstil zu entwickeln, der einerseits das spezielle Potenzial der einzelnen Rieden ausschöpfte und andererseits eine möglichst hohe Reife der Trauben anstrebte. Während viele Kollegen nach dem Weinskandal ihre Weißweine leichtfüßig und säurebetont anlegten, wurden im Hause Pichler bereits deutlich stoffigere Weine aus Riesling sowie Grünem Veltliner abgefüllt. Und es waren genau diese komplexen und dem Terroir verbundenen Smaragde, die bald darauf nicht nur in der Heimat, sondern auch im Export die Speerspitze des österreichischen Weinwunders bildeten. Zum Synonym dieser Entwicklung wurde bei Pichlers die Dürnsteiner Ried Kellerberg – zunächst beim Riesling, später auch für den herausragenden Grünen Veltliner.
Der schweigsame Franz Xaver Pichler ging penibel und rigoros daran, sein Projekt umzusetzen, die besten Weißweine der Wachau zu keltern. Die Rebflächen, von ihm selbst im Lauf der Jahre ausgewählt und gepflegt, haben sich über die Jahre vermehrt. »Als ich in den 1950er-Jahren von der Weinbauschule nach Hause kam, waren nur 0,8 Hektar Weingarten vorhanden, dafür mit bestem, vom Vater selektioniertem Rebmaterial, das wir weiter fortgeführt haben«, erzählt F.X. Pichler heute. »Als ich den Betrieb übernehmen durfte, waren es immerhin schon drei Hektar«.
Auch der Enkel Lucas Franz, führte die Familientradition weiter und besuchte die Weinbauschule in Krems (1988–1992). Sein Vater Franz Xaver, gab das große familiäre Wissen, die langjährige Erfahrung und die Hingabe an die Materie Wein nach und nach an Lucas Franz weiter.
Nach einem Praktikum im Herbst/Winter 1994 am Weingut Müller-Cartoir in der Pfalz/Deutschland wurde der damalige Betriebsleiter Hans-Günter Schwarz zu seinem Mentor. Dieser prägte ihn mit seiner Leidenschaft für Wein so sehr, dass Lucas zwei Jahre später das Praktikum erneut an seiner Seite absolvierte.
1997 sammelte Lucas Franz weitere Erfahrungen für sein Berufsleben bei Manfred Tement in der Südsteiermark.
Heute kann Lucas Franz, der die Vinifikation ab dem Jahrgang 1999 mit rund 14 Hektar bereits übernommen hatte, über gut 20 Hektar in Toprieden verfügen. Diese liegen in direkter Nachbarschaft zum Weingut in Loiben und Dürnstein – ein klein wenig mehr als die Hälfte der Fläche ist mit Grünem Veltliner besetzt, die andere Hälfte mit Riesling. Dazu kommen eine sehr geringe Menge Gelber Muskateller aus der Loibner Ried Loibenberg, und wenige Flaschen von Sauvignon Blanc. Etwa 35 Prozent der Reben wachsen in den steilen Urgesteinsterrassen, die nur von Hand zu bearbeiten sind: ein Wachauer Kulturgut, dessen intensive Pflege viele Jahrhunderte zurückreicht.
Lucas Frau, Johanna Elisabeth Pichler, stammt aus einem deutschen Weingut in Rheinhessen und hat den Beruf zur Winzerin von klein auf gelernt. 1999–2002 besuchte sie die Weinbauschule in Oppenheim/Rheinhessen und absolvierte anschließend die Ausbildung zum Weinbau-Wirtschafter auf der Technikerschule in Bad Kreuznach an der Nahe.
2003 lernte sie Lucas Franz Pichler kennen und lieben und zog bald darauf von Rheinhessen in die Wachau, wo sie sich seitdem um den Vertrieb, das Marketing und den Export kümmert. Johanna Elisabeth & Lucas Franz teilen nicht nur den Beruf, sie teilen vor allem die große Leidenschaft für den Wein.